Die Entwicklung des Herzdenkens

Die sechs Nebenübungen Rudolf Steiners in Verbindung mit konsonantischer Eurythmie

Inhalt

  • Die sechs Nebenübungen
  • Ihr Bezug zu den Konsonanten und Tierkreis-Aspekten der Eurythmie
  • Die Ätherströmungen der Nebenübungen
  • Die Übung „Ich denke die Rede“

Die verschiedenen Wahrnehmungsqualitäten der "Lotusblumen" (Chakren) im Herz- und Kehlkopf-Bereich nach Rudolf Steiner

In den beiden ersten Achtsamkeitsprogrammen mit den Übungen aus „Nervosität und Ichheit“ (GA 143, 1. Vortrag, sowie Einzelausgabe) und den Übungen „für die Tage der Woche“ (GA 245 bzw. GA 267, S. 68 ff.), sowie den entsprechenden Angaben aus „Wie erlangt man Erkenntnisse der übersinnlichen Welten“ (GA 10), wurden die Übungen dargestellt, die der Entwicklung des Kehlkopf-Chakra dienen sollen.

Als weitere „Nebenübungen“ (d. h. Übungen die gleichzeitig zu esoterischen „Hauptübungen“ gemacht werden sollten, um das innere seelische Gleichgewicht nicht zu verlieren) sind von Rudolf Steiner ebenfalls in den genannten Texten und an anderer Stelle, z.B. in „Stufen der höheren Erkenntnis“ (GA 12 und in verschiedenen Vorträgen) Übungen zur Entwicklung des Kehlkopf-Chakra aufgeführt. Diesbezüglich unterscheidet Rudolf Steiner die Wahrnehmungen durch das Herz-Chakra, insbesondere im Unterschied zu denen, die durch das Kehlkopf-Chakra empfunden werden können, wie folgt (GA 10, S. 118):

„Das geistige Sinnesorgan, welches sich in der Nähe des Kehlkopfes befindet, macht es möglich, hellseherisch die Gedankenart eines anderen Seelenwesens zu durchschauen, es gestattet auch einen tieferen Einblick in die wahren Gesetze der Naturerscheinungen. Das Organ in der Nachbarschaft des Herzens eröffnet eine hellseherische Erkenntnis der Gesinnungsart anderer Seelen. Wer es ausgebildet hat, kann auch bestimmte tiefere Kräfte bei Tieren und Pflanzen erkennen. … Das Organ in der Nähe des Kehlkopfes hat sechzehn „Blumenblätter“ oder „Radspeichen“, das in der Nähe des Herzens deren zwölf, das in der Nachbarschaft der Magengrube liegende deren zehn.“

Später heisst es im Text (GA 10, S. 126/127):

„Man muss sich nun klarmachen, dass die Wahrnehmungen der einzelnen geistigen oder Seelensinne einen verschiedenen Charakter tragen. Die Lotusblume mit zwölf Blättern vermittelt eine andere Wahrnehmung als die sechzehnblätterige. Diese letztere nimmt Gestalten wahr. Die Gedankenart, die eine Seele hat, die Gesetze, nach denen eine Naturerscheinung sich vollzieht, treten für die sechzehnblätterige Lotusblume in Gestalten auf. Das sind aber nicht starre, ruhige Gestalten, sondern bewegte, mit Leben erfüllte Formen. Der Hellseher, bei dem sich dieser Sinn entwickelt hat, kann für jede Gedankenart, für jedes Naturgesetz eine Form nennen, in denen sie sich ausprägen. Ein Rachegedanke z.B. kleidet sich in eine pfeilartige, zackige Figur, ein wohlwollender Gedanke hat oft die Gestalt einer sich öffnenden Blume usw. Bestimmte, bedeutungsvolle Gedanken sind regelmässig, symmetrisch gebildet, unklare Begriffe haben gekräuselte Umrisse. – Ganz andere Wahrnehmungen treten durch die zwölfblätterige Lotusblume zutage. Man kann die Art dieser Wahrnehmungen annähernd charakterisieren, wenn man sie als Seelenwärme und Seelenkälte bezeichnet. Ein mit diesem Sinn ausgestatteter Hellseher fühlt von den Figuren, die er durch die sechzehnblätterige Lotusblume wahrnimmt, solche Seelenwärme oder Seelenkälte ausströmen. Man stelle sich einmal vor, ein Hellseher hätte nur die sechzehnblätterige, nicht aber die zwölfblätterige Lotusblume entwickelt. Dann würde er bei einem wohlwollenden Gedanken nur die oben beschriebene Figur sehen. Ein anderer, der beide Sinne ausgebildet hat, bemerkt auch noch diejenige Ausströmung dieses Gedankens, die man eben nur mit Seelenwärme bezeichnen kann. – Nur nebenbei soll bemerkt werden, dass in der Geheimschulung nie der eine Sinn ohne den anderen ausgebildet wird, so dass das obige nur als eine Annahme zur Verdeutlichung anzusehen ist. – Dem Hellseher eröffnet sich durch die Ausbildung der zwölfblätterigen Lotusblume auch ein tiefes Verständnis für Naturvorgänge. Alles, was auf ein Wachsen, Entwickeln begründet ist, strömt Seelenwärme aus; alles, was in Vergehen, Zerstörung, Untergang begriffen ist, tritt mit dem Charakter der Seelenkälte auf.

In diesen Beschreibungen wird deutlich, dass die Entwicklung dieser Chakren zu qualitativ beschreibbaren übersinnlichen Erfahrungen führen kann und soll. Rudolf Steiner betont in diesem Zusammenhang besonders, dass in der Regel die Chakren gemeinsam entwickelt werden.

Die Wirkung der Seelenübungen bezüglich der Änderung der menschlichen Konstitution der Wesensglieder im Herzbereich

Im Vortragszyklus „Von Jesus zu Christus“ (GA 131) finden wir zunächst den Hinweis, dass nicht auf den Willen des Anderen gewirkt werden soll, wenn Seelenübungen empfohlen werden. Anschliessend wird die Wirkung des“ rosenkreuzerischen Übungswegs“ (Rudolf Steiner knüpft mit den esoterischen Übungen an die die Traditionen der Rosenkreuzer an) auf die Wesensglieder geschildert, wie sie Rudolf Steiner vor hundert Jahren angetroffen hat (S. 65/66): „Durch eine ganz besondere Art moralischer Kultur, durch eine besondere Art geistiger Kultur muss das gewöhnliche Gefüge von physischem Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich anders gemacht werden, als es von Natur aus ist. Und sowohl diejenigen Anweisungen, die gegeben werden zur Pflege der moralischen Gefühle, wie auch die Anweisungen, die zur Konzentrierung des Denkens, zur Meditation gegeben werden, alle streben zuletzt auf das eine Ziel hin: das geistige Gefüge, durch das der Ätherleib und der physische Leib des Menschen zusammenhängen, zu lockern; so dass nicht mehr so fest, als es uns von Natur aus gegeben ist, unser Ätherleib in den physischen Leib hineingefügt bleibt. Alle Übungen streben dieses Herausheben, diese Lockerung des Ätherleibes an. Dadurch aber wird eine andere Verbindung auch zwischen dem Astralleib und dem Ätherleib herbeigeführt. Dadurch, dass in unserm gewöhnlichen Leben der Ätherleib und der physische Leib bis zu einem hohen Grade in einer festen Verbindung sind, kann unser Astralleib in diesem alltäglichen gewöhnlichen Leben gar nicht alles das empfinden, gar nicht erleben, was in seinem Ätherleibe vorgeht. Der Ätherleib sitzt eben drinnen im physischen Leib, und dadurch dass er drinnen sitzt, nehmen unser Astralleib und unser Ich nur durch den physischen Leib alles das wahr, was ihnen der physische Leib von der Welt zukommen und was er sie durch das Instrument des Gehirns denken lässt. Der Ätherleib steckt zu sehr im physischen Leibe drinnen, als dass er als eine selbständige Wesenheit, als ein selbständiges Erkenntniswerkzeug und auch Gefühls- und Willenswerkzeug von dem Menschen im gewöhnlichen Leben empfunden werden könnte. Die Anstrengungen im konzentrierten Denken, wie heute die Anleitungen dazu gegeben werden, und wie sie auch von den Rosenkreuzern gegeben wurden, die Anstrengungen der Meditationen, die Läuterung der moralischen Empfindungen, das alles bewirkt zuletzt, wie man nachlesen kann in dem Buche „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“, dass der Ätherleib so selbständig wird, wie es in diesem Buche beschrieben ist. So dass man dazu kommt, so wie wir unsere Augen zum Sehen, unsere Hände zum Greifen benutzen und so weiter, den Ätherleib mit seinen Organen auch zu benutzen, um dann aber nicht in die physische Welt, sondern in die geistige Welt hineinzuschauen. Die Art, wie wir unser Innenleben zusammennehmen, in sich konzentrieren, arbeitet auf die Verselbständigung des Ätherleibes hin.“

Alle rosenkreuzerischen Übungen, wobei später im Vortrag auch die sechs Nebenübungen erwähnt sind, streben demnach zuerst die Lockerung des Ätherleibs an. Sie wirken auf das gewöhnliche Gefüge von physischen Leib, Ätherleib, Astralleib und Ich und machen es anders, als es von Natur aus wäre. Der Ätherleib ist dann nicht mehr so fest in den physischen Leib hineingefügt. Dadurch entsteht eine andere Verbindung zwischen dem Astralleib und Ätherleib. Der Astralleib kann dann mehr erleben, was in dem Ätherleib alles darin steckt. Somit können die Ätherempfindungen erlebbar und zu einem „Gefühls- und Willenswerkzeug“ werden.

Die eben beschriebene Situation bezüglich der Wesensglieder hat sich wohl im Laufe des letzten Jahrhunderts grundlegend geändert, was Rudolf Steiner in Vorträgen auch schon ankündigte. Die folgende diesbezügliche Textzusammenstellung stammt (mit Ergänzungen) aus den Anmerkungen des Buches „Die neue Erfahrung des Übersinnlichen – Das anthroposophische Erkenntnisdrama der Wiederkunft (S. 188/189)von Jesaiah (Yeshayahu) Ben Aharon:

„Im Grossen und Ganzen ist der Mensch ein physischer Leib, der in einen Ätherleib eingebettet ist; das andere brauchen wir heute nicht zu berücksichtigen. Aber die Innigkeit der Verbindung – ich meine jetzt nicht das räumliche Sich-Decken, aber das Dynamische in der Verbindung -, das ändert sich im Laufe der Erdenentwickelung, und die innigen Beziehungen zwischen dem Ätherkopfe und dem menschlichen physischen Kopf, die bestanden haben zum Beispiel in den Jahrhunderten, von denen man hauptsächlich spricht, wenn man von griechischer Kultur spricht, diese Beziehungen bestehen schon seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert nicht mehr. Seit dem 3. vorchristlichen Jahrhundert ist schon der alte Innigkeitszusammenhang zwischen dem Ätherkopf des Menschen und dem physischen Kopf verlorengegangen. Aber es ist doch immer aufrechterhalten geblieben ein recht inniger Zusammenhang zwischen dem menschlichen physischen Herzen und dem menschlichen Ätherherzen. Aber seit dem Jahre 1721 lockert sich merkwürdigerweise immer mehr und mehr der Zusammenhang zwischen dem menschlichen physischen Herzen und dem Ätherherzen. Wenn ich so sagen darf: Wenn das physische Herz da ist und das Ätherherz da [Zeichnung: um das Herz herum] so war das früher mehr ein Ganzes, jetzt kann das Ätherherz geschüttelt werden ätherisch, es ist nicht mehr innerlich so dynamisch verbunden wie früher. Später werden noch andere Organe des Menschen sich vom Ätherischen lösen. Das aber, dass das Herz nach und nach sich löst von seinem Ätherteil, und bis in das 3. Jahrtausend hinein, bis man 2100 ungefähr schreiben wird, sich ganz gelöst haben wird, das macht auch in Bezug auf die menschliche Entwickelung etwas sehr Bedeutsames aus. Was es ausmacht, das kann man in der folgenden Weise charakterisieren. Man muss sagen: Das macht das aus, dass die Menschen nötig haben, etwas, was ihnen früher von selbst kam durch den natürlichen Zusammenhang zwischen physischem Herzen und Ätherherzen, auf einem anderen Wege zu suchen, auf dem Wege des spirituellen Lebens. Dieses vom physischen Herzen losgetrennte Ätherherz, das wird seine richtige Beziehung zur geistigen Welt nur gewinnen, wenn der Mensch sucht spirituelles Wissen, wenn der Mensch sucht anthroposophisch orientierte geistige Gedanken. Das muss immer mehr und mehr gesucht werden.“ (GA 190, Vortrag vom 5. April 1919, sowie GA 102, Vortrag vom 13. Oktober 1908, und GA 171, Vortrag vom 14. Oktober 1916).

Einerseits sind [dieses] Verdichten und Verhärten des physischen Leibes und das Loslösen der Ätherischen Voraussetzungen für das neue ätherische Schauen des ätherischen Christus (GA 130, Vortrag vom 17 August 1911). Wenn andererseits der losgelöste Ätherleib nicht bewusst gestärkt und verwandelt wird, so kann das zu einer zunehmenden Abspaltung der menschlichen Wesensglieder von den Seelenkräften führen. Rudolf Steiner beschreibt häufig, dass die Herz-Lungen-Region (rhythmisches System) die harmonisierende, ausgleichende und gesunde Grundlage für die gesamte inkarnierte Organisation ist (GA 21; GA 193). Ist ihre innere Harmonie gestört, so verliert sie ihre natürliche Fähigkeit, die inneren Verbindungen zwischen Körper, Seele und Geist zu harmonisieren. Eine derartige Unterbrechung muss die unterschiedlichsten und schwerwiegendsten Symptome zur Folge haben. Zum Beispiel verhindert der ätherische Kopf des Menschen kontinuierlich seine Animalisierung [Vertierlichung] dadurch, dass er aus den ätherischen Strömen des Ätherleibs nur die reinen moralischen Impulse in sich aufnimmt und die niedere Natur des Menschen in das unbewusste, metabolische Gliedmassensystem hinunterdrückt. Er beschützt also das Alltagsbewusstsein des Menschen und reinigt es (GA 221, Vortrag vom 17. Februar 1913). Dies ist aber nur möglich, wenn das mittlere, rhythmische Herz-Lungen-System richtig arbeitet. Ist das nicht der Fall, steigen unbewusste Inhalte aus dem unteren Leib durch den geschädigten Mittelbereich herauf und dringen in das bewusste Nerven-Sinnes-System ein. Charakteristische pathologische Störungen sind die Folge.

Aus dem Zusammenhang der obigen Schilderungen wird deutlich, wie wichtig eine gesunde Ausbildung des „Herzmenschen“, auch in der meditativen Selbsterziehung, für die innere Harmonie und das Moralisch-Soziale ist. Darauf, dass hierbei die sechs Nebenübungen eine wesentlich Bedeutung haben, hat Rudolf Steiner immer wieder hingewiesen hat.